Welche Neuheiten gibt es zum Thema Whistleblowing?

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Bildquelle: B0red auf Pixabay

Das Deutsche Geschäftsgeheimnisgesetz

Einführung

Es ist nachvollziehbar, wenn Unternehmen ihre Betriebsgeheimnisse schützen möchten. Ebenso ist es aber auch notwendig – wie die Skandale der letzten Jahre zeigten – Rechtsverstöße mittels investigativem Journalismus aufzudecken. Seit die EU-Richtlinie 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb 2016 in Kraft trat, dauerte es weitere drei Jahre, bis der Deutsche Gesetzgeber es schaffte, sie in nationales Recht umzusetzen.  

Begriff des Geschäftsgeheimnisses

Bisher gab es keinen EU-weit geltenden Begriff für Geschäftsgeheimnisse. Hierzulande wurden sie lediglich durch § 17 UWG geschützt. Laut eines Urteils des Bundesgerichtshofs war ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis bisher jede Tatsache, die im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis bekannt war und nach einem bekundeten, auf wirtschaftlichen Interessen beruhenden Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden sollte. Demgegenüber gilt als Geschäftsgeheimnis nun gemäß § 2 Nr. 1 GeschGehG jede Information, die geheim ist. Geheim ist eine Information dann, wenn sie nicht bestimmten Kreisen bekannt ist, die üblicherweise mit solchen Informationen umgehen und nicht ohne weiteres öffentlich zugänglich sind. Zudem wird ein wirtschaftlicher Wert vorausgesetzt, da das Gesetz private Geheimhaltungsinteressen nicht schützt. Abschließend wird vorausgesetzt, dass die entsprechende Information mittels einer angemessenen Geheimhaltungsmaßnahme vor unberechtigtem Zugriff gesichert wird und ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht. Wie die einzelnen Voraussetzungen genau zu verstehen sind, wird im Folgenden ausgeführt.

Angemessene Geheimhaltungsmaßnahme

Ob eine Geheimhaltungsmaßnahme angemessen ist oder nicht, wird nach Einzelfall entschieden. Als wesentlichstes Kriterium gilt die wirtschaftliche Bedeutung des Geschäftsgeheimnisses für das Unternehmen. Ist die Information brisant und deren Nutzung durch den Wettbewerber gar existenzbedrohend, wird die Angemessenheit einer Maßnahme stets bejaht. Geht es jedoch um Informationen, die dem Unternehmen zwar wichtig sind, jedoch keine wirtschaftliche Bedeutung für dieses haben, wird die Angemessenheit einer Schutzmaßnahme eher verneint. Eine Geheimhaltungsmaßnahme ist ferner nur dann angemessen, wenn sie sich in ihrer Intensität bzw. Geheimhaltungsstufe nach dem Wert der Information für das Unternehmen richtet und in einem angemessenen Verhältnis zu deren wirtschaftlichen Nutzen steht. Darüber hinaus, könnte es durchaus sein, dass die Anforderung an die Qualität von Schutzmaßnahmen bei Großkonzernen weitaus höher sind, als an die Maßnahmen kleinerer und mittlerer Unternehmen. Wie solche Geheimhaltungsmaßnahmen im Einzelfall auszusehen haben, wird voraussichtlich in Zukunft durch die Rechtsprechung konkretisiert.

Reverse Engineering

Der Rückbau von Produkten zum Zwecke der Geheimnisentschlüsselung ist mit dem neuen Gesetz zumindest bei öffentlichen Informationen und solchen, die zwar im privaten Besitz sind, jedoch keiner Einschränkung des Reverse Engineering unterliegen erlaubt. Macht man brisante Informationen seinen Geschäftspartnern zugänglich, sollte Reverse Engineering daher zukünftig vertraglich ausgeschlossen werden.

Neue Anspruchsrechte der Inhaber von Geheiminformationen

Wird das Geheimhaltungsrecht des Inhabers verletzt, begründet dies dank des Gesetzes ähnliche Ansprüche wie die Verletzung eines Patentrechts. Abgesehen von Schadensersatz, Unterlassung und Auskunft, kann der Inhaber zudem fordern, dass das verletzte Produkt herausgegeben, zurückgerufen, vernichtet sowie dauerhaft vom Markt entfernt wird.

Whistleblower

Als Whistleblower werden Personen bezeichnet, die in einem Unternehmen arbeiten und Geschäftsgeheimnisse offenlegen, um Missstände aufzudecken. Der Streit darüber, inwieweit diese sowie mit ihnen kooperierende Journalisten durch das neue Gesetz geschützt werden sollen, war ein wesentlicher Grund für die verzögerte Umsetzung der EU-Richtlinie. Rein theoretisch wurde der Schutz von Whistleblowern durch den Gesetzgeber gestärkt, da ein Informant, der Betriebsgeheimnisse im öffentlichen Interesse aufdeckt, nun von Geseteswegen geschützt wird. Im öffentlichen Interesse stehen die Missstände eines Unternehmens nicht nur bei Rechtsverstößen. Unethisches Verhalten wie beispielsweise die Akzeptanz von Kinderarbeit, oder gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen von im Ausland produzierenden Unternehmen gehören ebenfalls zu Informationen, die im öffentlichen Interesse aufgedeckt werden können, ohne rechtliche Folgen fürchten zu müssen. Genaueres regelt die EU-Richtlinie für Whistleblower.

Handlungsempfehlung für die Unternehmen

Zwar sind Schutzmaßnahmen gesetzlich nicht verpflichtend. Jedoch sind diese notwendig, um Ansprüche gerichtlich durchzusetzen. Zudem liegt die Beweislast stets beim Inhaber des Betriebsgeheimnisses. Dieser muss im Streitfall nachweisen, dass angemessene Schutzmaßnahmen wie die Aufklärung von Mitarbeitern sowie eventuell deren Einordnung in verschiedene Geheimhaltungsstufen oder gar Verschlüsselungsmaßnahmen durchgeführt wurden.

Basierend auf den bereits genannten gesetzlichen Voraussetzungen, wird ein vierstufiges Konzept empfohlen:

  • Erstens: Die Erfassung aller im Betrieb vorhandenen Geschäftsgeheimnisse.
  • Zweitens: Die Einteilung der Geheimnisse in verschiedene Kategorien  i.S.d. § 2 Nr. 1 GeschGehG (siehe: Begriff des Geschäftsgeheimnisses).
  • Drittens: Treffen der entsprechenden Schutzmaßnahmen je nach Wichtigkeit des Geheimnisses für das Unternehmen.
  • Viertens: Neben rechtlichen Schutzmaßnahmen wie die Vertragsgestaltung, Compliance-Anweisungen sowie Arbeitsanweisungen, werden im vierten Schritt auch technische und organisatorische Maßnahmen wie die Stärkung der IT- und Werkssicherheit sowie die Sensibilisierung der Mitarbeiter eingeleitet und alle Vorgänge für den Nachweis protokolliert.

 

EU-Richtlinie für Whistleblower

Einführung

Im März einigten sich das Europäische Parlament sowie der Europäische Rat über die Richtlinie zum Schutz für Whistleblower. Interne auch als „Hinweisgeber“ bezeichnete Whistleblower haben danach das Recht, Verstöße gegen das EU-Recht gegenüber öffentlichen Stellen aufzudecken. Dies ist jedoch an Voraussetzungen geknüpft. Wie diese im Detail aussehen, wird im Folgenden ausgeführt.

Sicherheit bei der Berichterstattung

Hinweisgeber können Verstöße sowohl extern als auch intern melden. Grundsätzlich handelt der Hinweisgeber ohne rechtliche Konsequenzen, wenn er vor der externen Meldung, intern bereits erfolglos auf den Rechtsverstoß hingewiesen hat. Wendet sich ein Whistleblower doch direkt an eine externe nationale oder eine EU-Behörde, bleibt dies straffrei, wenn es um die öffentliche Sicherheit geht, oder bei einer internen Meldung Vergeltungsmaßnahmen zu erwarten sind.

Schutz vor Repressalien

Die vereinbarte Richtlinie verbietet ausdrücklich jede Form von Repressalien und führt Schutzmaßnahmen ein, die den Hinweisgeber vor Entlassung, Degradierung, Einschüchterung oder oder sonstigen Maßnahmen schützt. Dieser Schutz gilt auch für diejenigen, die den Hinweisgeber unterstützen. Die Mitgliedstaaten sollten die Betroffenen laut Richtlinie mit unabhängigen und ausführlichen Informationen über Berichtswege und alternative Verfahren, einer kostenlosen Beratung sowie rechtlichen, finanziellen und psychologischen Unterstützung versorgen.

Nächste Schritte

Vor der endgültigen Verabschiedung von Plenum und Rat muss die Richtlinie von den Botschaftern der Mitgliedstaaten (AStV) und dem Rechtsausschuss bestätigt werden. Die Richtlinie wird dann 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft treten.

Hintergrund

Bisher regelten die Mitgliedsstaaten den Schutz von Whistleblowern nur vereinzelt und nicht im ausreichenden Maße. Nur Frankreich, Ungarn, Irland, Italien, Litauen, Malta, Niederlande, Slowakei, Schweden sowie Vereinigte Königreich boten bisher einen umfassenden Rechtsschutz für Hinweisgeber. In den übrigen Ländern gab es diesen nur vereinzelt oder lediglich für bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern.
Laut einer Studie aus dem Jahr 2017 wurde der Verlust potenzieller Vorteile, der aufgrund des fehlenden Schutzes von Informanten ausschließlich im öffentlichen Auftragswesen entsteht, EU-weit auf 5,8 bis 9,6 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.

Fazit

Da keine Übergangsregelung existiert, sollten betroffene Unternehmen schnell handeln und sich frühzeitig darüber informieren, welche Schutzmaßnahmen für die Betriebsgeheimnisse angemessen sein könnten. Zudem wäre es sinnvoll, den Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, Missstände vom öffentlichen Interesse intern und anonym melden zu können, ohne rechtliche Sanktionen fürchten zu müssen. 

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