BGH spricht Anbieter von Internet-Dienstleitungen Vergütung trotz Kündigung eines sog. „Internet-Sys

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Eine neuere Entscheidung des BGH vom 08.01.2015 (Az. VII ZR 6/14) betrifft alle Unternehmer, die (untechnisch gesprochen) Dienstleistungen mit einer Erfolgskomponente im Internet anbieten. Hierzu zählen insbesondere Verträge über die Erstellung von Internetpräsenzen (Websites) in Kombination mit deren späterem Hosting auf Basis langfristiger Verträge, welche der BGH „Internet-System-Verträge“ nennt.

Der Fall:

Ein Besteller schloss mit dem Anbieter von Internet Dienstleistungen einen Vertrag über die Erstellung einer Website mit anschließendem Hosting mit einer festen Laufzeit von 2 Jahren. Hierzu waren neben einer „Anschlussgebühr“ monatliche Pauschalen im Voraus zu zahlen. Der Kunde zahlte alle Pauschalen für die gesamte Vertragslaufzeit im Voraus, erklärte jedoch, bevor es zur Erstellung der Website wegen eines Sinneswandels kam, die Kündigung und verlangte Rückzahlung der im Voraus bezahlten Vergütung. Der Anbieter verwies auf die feste Laufzeit und den Ausschluss des Kündigungsrechts.

Die Entscheidung

Nachdem der Besteller in erster Instanz zunächst Recht bekommen hatte und der Anbieter zur vollständigen Rückzahlung verpflichtet wurde, entschied der BGH in letzter Instanz, dass der Anbieter die Vergütung weitgehend behalten durfte.

Der Hintergrund

Durch die Entscheidung wird letztlich festgestellt, dass der Besteller zwar kündigen darf, wirtschaftlich daraus aber keine Vorteile zieht, da er die Vergütung dennoch bezahlen muss, wenn er bloß aufgrund Interessenfortfalls die Kündigung erklärt. Dies erscheint vor dem Hintergrund des abgeschlossenen Vertrages auch konsequent und dem allgemeinen Rechtsverständnis entsprechend. Hierbei ist aber nicht zu übersehen, dass der BGH einige „Klimmzüge“ benötigt, um zu diesem Ergebnis zu gelangen, und auch dem Anbieter erhebliche Offenlegungspflichten in Bezug auf seine Kalkulationsgrundlagen und daher Betriebsgeheimnisse aufnötigt.

Für Anbieter von Internet-Leistungen ist zunächst wichtig, dass der Kunde gemäß § 649 S. 2 BGB jederzeit kündigen kann, zumindest solange die Hauptleistung (Website, Software etc) noch nicht abgenommen ist. Hier stehen weder feste Laufzeiten, noch ausdrückliche Ausschlüsse des Kündigungsrechts in AGB entgegen, da ein solcher Ausschluss des jederzeitigen Kündigungsrechts nach der ständigen Rechtsprechung des BGH in AGB nicht wirksam vereinbart werden kann (BGH Urt. V. 27.01.2011 –VII ZR 133/190 http://medien-internet-und-recht.de/volltext.php?mir_dok_id=2294 ).

Kommt es zu einer solchen Kündigung, muss der Unternehmer nach der gesetzlichen Regelung des § 649 BGB zunächst darlegen, welche Leistungen er bereits erbracht hat und welche er noch hätte erbringen müssen, aber wegen der Kündigung nicht mehr erbringt. Er muss in der Folge darlegen, wie sich die Vergütung auf diese beiden Teile aufteilt. Den Vergütungsanteil für die bereits erbrachten Teile kann er voll behalten. In Bezug auf die nicht mehr erbrachten Leistungsteile kann er den Vergütungsteil nur unter Abzug der wegen der Nichterbringung ersparten Aufwendungen verlangen, die er dem Gegner darlegen muss. Der Anbieter muss dem kündigenden Besteller seine internen Kostenkalkulationen so detailliert darlegen, dass dieser sich im Sinne einer „sachgerechten Rechtswahrung“ hiergegen durch Bestreiten und eigene Beweisantritte verteidigen kann.

Die Schwierigkeit im vorliegenden Fall bestand freilich darin, dass der Anbieter im Zeitpunkt der Kündigung noch gar keine Leistungen erbracht hat, zumindest keine konkreten Leistungen für den konkreten Besteller. Man könnte daher bei oberflächlicher Betrachtung meinen, dass die Vergütung voll zurückzuzahlen ist da sie mangels konkreter Arbeiten 100 % ihrer für gewöhnliche, zur Vertragserfüllung erforderlichen Aufwendungen erspart habe, so wie dies die erste Instanz in dem vorliegenden Rechtstreit auch getan hat.

Der BGH kommt jedoch genau zum gegenteiligen Ergebnis. Er stellt zwar fest, dass noch keine Leistungen konkret für den Besteller erbracht wurden. Der Anbieter könne die Vergütung aber für die noch nicht erbrachten Leistungen fast vollständig behalten.

Er führt in der Folge aus, dass der Anbieter aber auch gar nicht darlegen müsse, konkret irgendwelche Leistungen für den Besteller erbracht zu haben. Denn die Anforderungen, die an die vom Anbieter vorzulegende Abrechnung zu stellen sind, hänge von der „Art des Vertrages sowie den seinem Abschluss und seiner Abwicklung zugrunde liegenden Umständen ab“. Und hier sei entscheidend, dass der Geschäftsbetrieb des Anbieters darauf ausgerichtet ist, eine Vielzahl von Verträgen ähnlichen Inhalts zu schließen, bei dem die individuellen Belange des Kunden nicht im Voraus bekannt seien und dessen Kalkulation eine Mischkalkulation zugrunde liege. Deshalb müsse der Anbieter auch gar nicht darlegen, welche konkreten Ausgaben er für den konkreten Kunden gehabt hätte. Vielmehr genügt es, dass der Anbieter eine durchschnittliche Kalkulation für jeden Vertrag aufstellt, und so typische und bei jedem Auftrag anfallende Kosten darstellt und ausführt, welche hier typischerweise erspart geblieben wären, außer es lägen Anhaltspunkte für eine anderweitige Entwicklung vor.

Der Anbieter könne daher die typisierte Kalkulation dieser Verträge auf Basis ihres Jahresabschlusses, ihren Personalkosten, Kosten freier Mitarbeiter und die Anzahl abgeschlossener Verträge belegen. Für diese typisierte Betrachtung müsse der Anbieter die Arbeitsschritte und typischen Aufwendungen darlegen, wobei die Frage etwaiger Ersparnisse u.a. davon abhängt, ob diese von sowieso zu bezahlenden fest angestellten Mitarbeitern oder von freien Mitarbeitern erledigt werden.

Tipp

Die Rechtsnatur zahlreicher Leistungsangebote im Internet ist rechtlich nicht abschließend geklärt, sodass die Anwendung der Entscheidung über den klassischen „Internet-System-Vertrag“ hinausgehen dürfte. Anbieter sollten bei der Kalkulation ihrer Angebote unter anderem berücksichtigen, dass vertraglich definierte Laufzeiten ggfs. durch Anwendung des Kündigungsrechts aus § 649 BGB unterlaufen werden können. Kommt es zum Streitfall über die Vergütung, sind Kalkulationsgrundlagen über die typisierte Berechnung unter Darlegung einzelner Arbeitsschritte und Kosten erforderlich, was zugleich eine ungewollte Offenlegung geschäftlicher Interna erfordern kann.

 

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