Equal Pay und Gender Gap

von

aus rechtlicher Sicht

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Equal Pay BAG Entscheidung (Beschl. v. 25.06.2020, Az. 8 AZR 145/19)

Sachverhalt:

Die langjährig tätige sowie mehrfach ausgezeichnete freie Journalistin eines namhaften TV-Politmagazins vermutete seit längerem, dass ihre männlichen Kollegen in vergleichbarer Position mehr verdienen würden als sie. Da der Sender solch eine Information nicht freiwillig herausgeben wollte, klagte sie mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) auf Gehaltsauskunft. Während sie in den ersten Instanzen zunächst keinen Erfolg hatte (ArbG, Urt. v. 01.02.2017, Az. 56 Ca 5356/15; LAG, Urt. v. 05.02.2019, Az. 16 Sa 983/18), bejahte das Bundesarbeitsgericht den Auskunftsanspruch nach §§ 10 i. V.  m. 5 Abs. 2 Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG). Danach stehe jedem Beschäftigten zur Überprüfung des Lohngleichheitsgebots ein Auskunftsanspruch zu. Allerdings basierte diese Entscheidung auf einem EU-rechtlichen Verständnis vom Arbeitnehmerbegriff und war daher weiter gefasst, als es das deutsche Recht in § 5 Abs. 2 EntgTranspG vorsieht. Somit wären auch arbeitnehmerähnliche Personen vom Entgelttransparenzgesetz erfasst. Diese Entscheidung hat jedoch weitreichende Folgen und könnte sogar darauf schließen lassen, dass mit ihr auch der Gesetzgeberwille völlig ignoriert wurde. Zumal die ursprüngliche Fassung zwar einen weiten Arbeitnehmerbegriff vorsah, dies bei der Endfassung jedoch verworfen wurde. Nach Ansicht der Richter war ihr Urteil dennoch im Sinne des Gesetzgebers, da es der EU Richtlinie zur Gleichstellung von Männern und Frauen im Beruf (RL 2006/54 EG) andernfalls nicht gerecht werde. Eine entgegenstehende Entscheidung hätte zudem die Vorlage beim EuGH zur Folge und würde suggerieren, dass der Gesetzgeber eine EU-Richtlinie nicht rechtzeitig umgesetzt habe. Was Equal Pay anbelangte, lehnte das BAG die Revision der Klägerin allerdings ab. Da solch eine Entscheidung das EU-Recht tangiere und laut Klägerin nicht ohne eine Vorlage beim EuGH getroffen werden dürfe, landete der Fall nun vor dem Bundesverfassungsgericht.


Das Problem „Equal Pay“

Im Grundgesetz, das 1949 verabschiedet wurde, steht in Artikel 3 Abs. 2 GG, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Ergänzend fügte man im Jahre 1989 hinzu, dass der Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern fördert und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinwirkt. Somit hat sich der Staat selbst dazu verpflichtet, jegliche gesellschaftliche und mit Makel versehene Ungleichbehandlung zwischen Frauen und Männern zu beseitigen. Dazu gehört sicherlich auch die Bekämpfung ungleicher Entlohnung bei gleicher Erwerbsarbeit am gleichen Arbeitsplatz. Allerdings wurde die konkretere Formulierung, wie sie Helene Weber (eine der Verfasserinnen des Grundgesetzes) forderte, dass „(…) Frauen bei Verrichtung gleicher Arbeit einen Anspruch auf gleiche Entlohnen hätten“ vom Parlamentarischen Rat abgelehnt, da dies doch selbstverständlich sei. Heute wissen wir, dass dies höchstwahrscheinlich dabei geholfen hätte, noch heute existierende Ungleichbehandlung bei der Entlohnung zu beseitigen. Zwar hilft das EntgTranspG dabei, gewisse Lohnungleichheiten zu beseitigen. Ferner verbieten §§ 1, 7 AGG jegliche Benachteiligung wegen des Geschlechts. Allerdings gehen solche gesetzlichen Regelungen laut sämtlichen Frauenrechtsorganisationen sowie Teilen der Politik nicht weit genug. So wurde bereits ein eigenständiges Gesetz gefordert, das die Entgeltgleichheit sowohl mittels Lohntransparenz als auch durch neue Dokumentationspflichten für eine notwendige Kontrolle sicherstellt. Zukünftig wären die Personalbüros danach verpflichtet, eine nach gleichartigen oder ähnlichen Qualifikationen gegliederte Übersicht aller gezahlten Gehälter zu erstellen. Diese wären für jeden Mitarbeiter zum Zwecke als Grundlage für Gehaltsverhandlungen einsehbar, wobei sie aus Datenschutzgründen keine Namen beinhalten würden. Allerdings befürchten Kritiker eines solchen Gesetzes, dass immer neuere Dokumentationspflichten zu mehr Bürokratie führen würden. Zudem könnten kleine Betriebe keinen Datenschutz sicherstellen, wenn die Gehälter nach gleichen oder ähnlichen Qualifikationen gegliedert sowie einsehbar gemacht werden, da sie aufgrund der Betriebsgröße bereits konkreten Personen zuzuordnen wären. Dies würde das Betriebsklima nicht gerade verbessern. Ferner sage solch eine Gliederung nach Qualifikationen nichts über die Produktivität einzelner Mitarbeiter aus.


Die arbeitsgerichtlichen Urteile der letzten Jahre haben zwar durchaus gezeigt, dass Frauen bei Verdacht auf Ungleichbehandlung, diese mittels Rechtsweg beseitigen können. Allerdings hat sich die Lohngleichheit in den letzten Jahren hierzulande erheblich verschlechtert, obwohl größere Unternehmen eine Gleichstellung von Mann und Frau in ihre Compliance-Regeln bereits implementiert haben.

Zwar wurde solch ein Gesetz noch nicht verabschiedet, dies ist jedoch vor allem im Hinblick auf Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz zukünftig nicht ausgeschlossen. Im Hinblick darauf, dass bisher nur 3 % aller Firmen in Deutschland eine Gleichbehandlung bei der Entlohnung zwischen Mann und Frau herstellen konnten, stellt sich unwiderruflich die Frage, welche Wege das Ausland geht, um die Gehaltslücke zwischen Frauen und Männern zu schließen.

 

Gehälterangabe bei der Stellenanzeige in Österreich:

In Österreich müssen Gehälter bereits seit 2011 bei der Stellenausschreibung angegeben werden. Dabei bleibt es dem Arbeitgeber überlassen, ob er den Stunden-, Monats- oder Jahreslohn angibt. Dies soll Lohntransparenz sicherstellen und einer Ungleichbehandlung bei der Entlohnung entgegenwirken. Im Hinblick auf den Lohnunterschied zwischen Mann und Frau von über 19 % im Land ist es jedoch mehr als fraglich, wie effektiv solch eine Maßnahme bei der Umsetzung von Equal Pay ist. In jedem Fall steht es fest, dass eine fehlende Lohnangabe bei der Stellenanzeige bestimmt nicht zur Lohntransparenz beiträgt. Wird das Gehalt wiederum angegeben, können die Bewerber:innen einfacher einschätzen, welche Erwartungen arbeitgeberseits an sie gestellt werden. Arbeitnehmer:innen müssen sich zudem keine Gedanken mehr darum machen, welches Gehalt sie bei der Einstellung fordern sollten. Somit wird die Klarheit bereits im Einstellungsprozess verbessert. Gleichzeitig ist auch die Arbeitgeberseite an die Angaben gebunden, wodurch die Flexibilität des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin bei der Gehaltsvergabe eingeschränkt und somit eine mögliche Ungleichbehandlung von Frauen und Männern bei der Entlohnung verhindert wird. Dennoch ergeben sich die Unterschiede in vielen Fällen aus Merkmalen wie Branche, Beruf, Alter, Dauer der Unternehmenszugehörigkeit sowie Arbeitszeitausmaß. Frauen mit Kindern machen die Suche einer Stelle zudem nicht ausschließlich von der Einkommenshöhe abhängig, sondern auch von den Möglichkeiten einer Kinderbetreuung vor Ort. Ferner berücksichtigen Statistiken nur Menschen, die aktiv am Arbeitsmarkt teilnehmen. Der Anteil an Frauen im Beruf hat jedoch in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Dadurch wird auch der Lohnunterschied sichtbarer, wenn Frauen beispielsweise aus der Elternteilzeit ins Berufsleben zurückkehren und aus dem Grund weniger verdienen. Da Frauen heutzutage somit anders als früher ihren Arbeitsplatz nicht für die Erziehung ihrer Kinder gänzlich aufgeben, wirkt sich das sicherlich negativ auf die immer steigende Equal-Pay Gap im Land aus. Dass Frauen auch in Österreich eher in sozialen Berufen tätig sind, die grundsätzlich geringer vergütet werden und viele aufgrund der Kindererziehung oder Pflege von Familienangehörigen nur in Teilzeit tätig sein können, verstärkt die Ungleichheit sicherlich. Daher versucht die österreichische Regierung durch weitere Maßnahmen, Möglichkeiten zu schaffen, die es den Männern erlaubt sich verstärkt an der Erziehung oder Pflege von Familienangehörigen zu beteiligen. Ferner solle dies Frauen von einer gesundheitlichen Belastung durch die einseitige Haushaltsführung befreien. Trotz einer Transparenz bei der Stellenausschreibung, können fehlende Fairness, etwa bei den Aufstiegschancen zudem weiterhin dazu beitragen, dass der Lohnunterschied bleibt. Hinzu kommt, dass Diskriminierung bei geschlechtstypischen Ausbildungsberufen auch in Österreich keine Seltenheit sind. Das Gesetz bei der Transparenz von Stellenausschreibungen beschränkt sich allerdings auch nur auf die Angabe eines Mindestverdienstes. Somit kann durchaus auch ein höherer Lohn bei den Gehaltsverhandlungen ausgehandelt werden. Daher kann derlei Transparenz nur im begrenzten Rahmen dafür sorgen, die Pay-Gap zu beseitigen und wird durch verpflichtende Einkommensberichte in Betrieben mit mehr als 150 Mitarbeiter:innen ergänzt.


Ausblick: Zukunftspläne der Politik

Die große Koalition sah das Problem in der fehlenden Wertschätzung unbezahlter Sorgearbeit. Da Frauen mehr Sorgearbeit betreiben würden, könne die Ungleichheit bei den Verdiensten vor allem durch die Weiterentwicklung von Elterngeld und dem Ausbau der Kinderbetreuung beseitigt werden. Doch wie sieht es bei den anderen im Bundestag vertretenen Parteien aus?

CDU/CSU

Die CDU/CSU wollen sich laut Seite 79 Ihres Parteiprogramms für mehr Familienfreundlichkeit auch in Führungspositionen einsetzen. Die geschlechtsspezifische Lohn- und Rentenlücke soll mittels Evaluation des EntgTranspG sowie, falls dies notwendig sein sollte, einer Überarbeitung dieses Gesetzes beseitigt werden. Ob dies wirklich reicht, bliebe abzuwarten.

SPD

Die SPD hingegen beschreibt auf Seite 42 ihres Programms eine garantierte Weiterentwicklung des EntgTranspG, um die Geschlechtergerechtigkeit bei der Bezahlung zu erreichen, ohne dass sich Betroffene via Klage selbst darum kümmern müssen. Ferner soll eine entsprechende Regelung auf europäischer Ebene vorangetrieben werden. Abschließend wird angegeben, dass sich die SPD für eine paritätische Besetzung von Führungsebenen in allen börsennotierten oder mitbestimmten Unternehmen sowie wirksame Sanktionen einsetzen will, falls dies nicht eingehalten wird.


Die Grünen

Auf den Seiten 32 und 54 geben die Grünen an, eine Frauenquote bei der Neubesetzung von Vorständen von mindestens einem Drittel bei größeren und börsennotierten Unternehmen einführen zu wollen. Zudem soll eine Elternzeitregelung im Aktienrecht eingeführt werden. Selbst Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften sollen bei Neubesetzung verpflichtet, einen Frauenanteil von 40 Prozent anzustreben. Führungspositionen in Ministerien, Verwaltungen, Anstalten des öffentlichen Rechts, kommunale Verbände und Unternehmen sind es gar 50 Prozent. Gründerinnen würden ein Extra-Wagniskapitalfond erhalten. Die Grünen möchten sich ebenfalls für eine EU-Richtlinie einsetzen, die Lohngleichheit sicherstellen, sowie zusätzlich ein effektives Entgeltgleichheitsgesetz auf nationaler Ebene einführen. Dieses soll auch kleine Betriebe verpflichten, von sich aus über ihre Maßnahmen zum Schließen der eigenen Pay-Gap zu berichten. Zudem sollen Betroffene bei Verstößen laut Gesetz die Möglichkeit haben, ihren Anspruch mittels Verbandsklage durchsetzen. Ferner wäre es verpflichtend, Beschäftigten anonymisierte Spannen der Gehalts- und Honorarstruktur zugänglich zu machen.


Die Linke

Sowohl Seite 15, als auch Seite 99 beschreiben, dass sich die Linke, ähnlich wie die Grünen für eine Ergänzung des Auskunftsanspruchs im EntgTranspG durch ein Verbandsklagerecht einsetzen. Zudem sollen auch laut der Linken eine Frauenquote von 50 Prozent in Führungspositionen eingeführt werden.

FDP

Laut Seite 33 des FDP-Programms, lehnt die Partei jedwede Quote ab und möchte sich vielmehr für Selbstverpflichtungen einsetzen. Größere Unternehmen könnten sich bei diesen selbst dazu verpflichten, dass sich der Anteil von Frauen einer Unternehmensebene in der Führung der jeweiligen Ebene widerspiegelt. Auf der Vorstandsebene sollen die Unternehmen sich ebenfalls selbst dazu verpflichten, den Frauenanteil zu erhöhen. Nur Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern müssten laut Partei zukünftig dazu verpflichten, ihren unternehmensinternen Gender-Pay-Gap auszuwerten und zu veröffentlichen. Dabei soll sowohl der durchschnittliche, als auch der mittlere Verdienstunterschied und der prozentuale Anteil von Frauen wie Männern in den jeweiligen Gehaltsgruppen angegeben werden.

 

Fazit:

Die rechtliche Lage ist in Deutschland stark reformbedürftig, um tatsächlich Transparenz zu schaffen und vor allem auch eine tatsächliche Gleichberechtigung. Der Auskunftsanspruch, vor allem, wenn er gerichtlich durchgesetzt werden muss, ist ein zahnloser Tiger, wenn nicht in einem zweiten Schritt auch ein entsprechender Anspruch auf gleiche Entlohnung durchsetzbar wäre.

Trotz aller Kritik, die am österreichischen Modell geübt wird, wäre eine Angabe der Entlohnung in der Stellenanzeige ein erster Schritt, um zumindest eine gleiche Ausgangsbasis für die Gehaltsverhandlungen zu schaffen.

Es wird sich zeigen, wie die ambivalenten Vorstellungen der Ampelkoalition sich in der Praxis unter einem Hut bringen lassen. Derzeit hat es den Eindruck, dass das Thema "Gender Gap" bzw. "Equal Pay" in Anbetracht der Pandemiebekämpfung einmal wieder sowohl in Politik als auch Medien einen Schritt nach hinten getreten ist.

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