Neues zur Klarnamenpflicht in Sozialen Medien

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Zurzeit kursieren viele Reportagen zum Thema Online Mobbing, sogenannten „Trollen“ sowie bezahlten Chatschreibern auf Flirtportalen. Die Folgen für Nutzer von sozialen Netzwerken und anderen Kennenlernplattformen können dabei verheerend sein. Abgesehen davon, dass Fakeprofile die Authentizität zwischenmenschlicher Kommunikation infrage stellen, steigt so auch die Angst vor Internetmobbern sowie Betrügern, die sich hinter ihren Pseudonymen verstecken können. Auf größeren Plattformen wie Facebook können verdächtige Profile zwar gemeldet werden, jedoch muss hinter einem Pseudonym nicht automatisch ein Fakeprofil stecken.

Vor allem Künstler oder auch Menschen, die eine neue Identität oder ihre wahre Identität annehmen wollen, nutzen häufig nicht den Namen, der im Personalausweis steht. Mittlerweile erreichte diese Problematik hierzulande sowohl die Presse, als auch die Rechtsprechung. Nach einem großen Protest in den USA hat sich sogar der Facebook „chief product officer“ Chris Cox persönlich bei der Dragqueen Gemeinde entschuldigt und bekräftigt, dass die entsprechenden Persönlichkeiten nicht unter ihrem Klarnamen bei Facebook auftreten müssen, sondern selbstredend den selbst gewählten (Künstler-)Namen verwendne dürfen (https://www.theguardian.com/technology/2014/oct/01/victory-drag-queens-facebook-apologises-real-name-policy).

Dennoch hat das OLG München nun sehr undifferenziert entschieden, dass ein Pseudonymverbot seitens Facebook rechtmäßig sei, Urt. v. 8.12.2020, Az. 18 U 2822/19 Pre und 18 U 5493/19 Pre.

Das Urteil des OLG München, Urt. v. 8.12.2020, Az. 18 U 2822/19 Pre und 18 U 5493/19 Pre

Zunächst befand das Gericht, dass § 13 Abs. 6 S.1 TMG für dessen Erwägungen einschlägig sei, da Facebook seinen Sitz zwar in Irland hätte, für die betroffenen hierzulande lebenden Verbraucher jedoch das Deutsche Recht festgelegt wurde. Die Norm kollidiere auch keineswegs mit der europäischen DSGVO, da aufgrund dessen Entstehungsgeschichte deutlich werde, dass die Verfasser es bewusst unterlassen haben sollen, Telemedienanbietern die Gestattung von anonymer bzw. pseudonymer Nutzung aufzuzwingen. Vielmehr bestehe die Pflicht gemäß §13 Abs. 6 S.1 TMG nur dann, wenn ihnen dies zumutbar sei. Demzufolge stehe Facebook nicht nur ein großer Entscheidungsspielraum zu, dieser sei vielmehr auch nicht überschritten, da es dem Unternehmen bei der Klarnamenspflicht um die Verhinderung kriminellen Verhaltens im Internet gehe.

Erwägungen zu dem Urteil

Sicherlich klingt es zunächst einleuchtend, dass Anonymität kriminelles und grenzwertiges Verhalten im Netz erleichtere. Jedoch zeigen die Erfahrungen während der Flüchtlingskrise oder auch während der Pandemie, dass Menschen mit Klarnamen ebenfalls hetzen können, da sie sich als das Sprachrohr der schweigenden Masse sehen und auch noch stolz auf ihre Aussagen sind.

Die pauschale Ausschließung jedoch von Nutzern, die keinen Klarnamen nutzen ist nicht sachgerecht. Vor allem Künstler haben ein Interesse daran, unter ihrem Künstlernamen wahrgenommen zu werden. Das Gleiche gilt für Ordensleute oder Vertreter anderer Religionen, die häufig ebenfalls "Pseudonyme" tragen. Auch gibt es im privaten Umfeld oft ein Interesse daran, den Social Media Account unter einem Namen zu führen, den nur Bekannte und Verwandte kennen, um Anfragen von Geschäftskontakten etc. auszuschließen und die Privatsphäre zu wahren, ohne ständig Absagen versenden oder ein kompliziertes Filtersystem anwenden zu müssen.

Aufgrund dieser enormen Reichweite kann ein Ausschluss von Facebook für Betroffene vor allem in Zeiten der Pandemie sowohl Ausgrenzung, als auch soziale Isolation zur Folge haben. Da die Entscheidung des OLG München noch nicht rechtskräftig war, bleibt abzuwarten, ob und wieweit es höchstinstanzlich bestätigt wird. Jedenfalls gäbe es durchaus vertretbare Zwischenlösung, z. B. dass der Klarname zwar beim Plattformbetreiber hinterlegt werden muss, aber der eigentliche Account unter einem Pseudonym geführt werden kann.

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