Sozialplan und Unternehmensliquidität

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Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

 

Auswirkungen der Liquiditätszusage auf den Sozialplan

Ein in der Automobilzulieferbranche tätiges Unternehmen befand sich eine Zeit lang in finanziellen Schwierigkeiten. Die hohen Verluste wurden jedoch von der Gesellschafterin bzw. anderen konzernangehörigen Unternehmen mittels Liquiditätszusagen aufgefangen. Bereits vor dem Beschluss eines Sozialplans im Dezember 2017, belief sich die erste Zusage im Februar 2017 auf 20 Millionen Euro. Sie sollte für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 31.12.2018 gelten und den voraussichtlichen Liquiditätsbedarf der Gesellschaft einschließlich eines noch mit dem Betriebsrat der Gesellschaft zu verhandelnden Sozialplans sowie aus diesem Höchstbetrag an einzelne Mitarbeiter zu zahlende Abfindungen bis zum 31. Dezember 2018 decken.

Um eine Insolvenz zu vermeiden, erging am 23.04.2018 eine weitere Liquiditätszusage bis zu einem Höchstbetrag von 5 Millionen Euro. Jedoch sollte der Umfang dieser Zusage keine Sozialpläne umfassen. Eine dritte Liquiditätszusage am 16.10.2018 hatte ferner den Zweck, eine insolvenzvermeidende Betriebsstilllegung zu verhindern. Ihre Höhe belief sich unter der Berücksichtigung der im Februar 2017 gewährten 20 Millionen auf einen neuen Höchstbetrag von 50 Millionen Euro und sollte den Liquiditätsbedarf bis zum 31.12.2019 decken. Davon ausgenommen wurden erneut jegliche Zahlungsansprüche aus einem Sozialplan.

Nachdem über 227 Stammkräfte entlassen wurden und in der Folgezeit zwischen den Betriebspartnern (Betriebsrat sowie der Arbeitgeberin) keine Einigung zustande kam, wurde auf Antrag eine Einigungsstelle „zwecks Abschlusses eines Interessenausgleichs und Sozialplans“ eingerichtet. Nachdem trotzdem keine Einigung erreicht wurde, entließ die Arbeitgeberin weitere Mitarbeiter, um den Personalbestand, wie geplant, zu reduzieren. Die Betroffenen schlossen daraufhin Abfindungsvergleiche.

Nachdem die Einigungsstelle in weiteren Sitzungen ebenfalls keine Einigung erzielen konnte, reichte deren Vorsitzende seinen Entwurf eines Sozialplans zur Abstimmung. Dieser sah bei einem Faktor von 0,3 ein Gesamtvolumen in Höhe von 4,287 Millionen Euro vor. Nachdem die erste Abstimmung unentschieden ausgefallen war, wurde der Vorschlag in der zweiten mit einer knappen Mehrheit von vier zu drei Stimmen angenommen. Für die Arbeitgeberin waren solch hohe Abfindungszahlungen jedoch wirtschaftlich unvertretbar. Insbesondere, da alle Liquiditätszusagen, bis auf die erste, jegliche Finanzierungen eines Sozialplans ausschlossen. Somit musste das Landesarbeitsgericht Hamm vor allem klären, welche Auswirkungen eine Liquiditätszusage auf den Sozialplan hat.

Die Richter entschieden, dass der beschlossene Sozialplan nicht gegen die gesetzlichen Vorgaben des § 76 Abs. 5 S. 3,4 i. V. m. § 112 Abs. 5 S. 1, S. 2 Nr. 3 BetrVG verstößt. Danach solle die Einigung einer Einigungsstelle laut Rechtsprechung gerichtlich darauf geprüft werden, ob sie einen Ausgleich zwischen den Interessen des Unternehmens sowie der betroffenen Arbeitnehmer schaffe. Das Gericht war der Ansicht, dass die von der Einigungsstelle beschlossene Sozialplandotierung in Höhe von 4,287 Millionen Euro (mit einem Faktor von 0,3) die Grenzen der wirtschaftlichen Vertretbarkeit nicht überschritten habe. Dies gelte selbst dann, wenn davon ausgegangen werden könne, dass von den zur Verfügung stehenden Mitteln in Höhe von 20 Millionen Euro aufgrund der ersten Zusage lediglich ca. 4,32 Millionen Euro verblieben.

Zum einen würden die konzernangehörigen Unternehmen den Betrieb stets am Leben erhalten, da nach Aussage der Arbeitgeberin, die Insolvenz eines Unternehmens innerhalb der Gruppe zu Auftragsverlusten führe. Somit sei davon auszugehen, dass weitere Liquiditätszusagen folgen würden, wenn es zu einem wirtschaftlichen Verlust kommen sollte. Diese Tatsache sowie die Eingebundenheit in einen Konzernverbund würden der Arbeitgeberin somit das Recht verwehren, sich auf eine wirtschaftliche Unvertretbarkeit bei der Finanzierung des Sozialplans zu berufen. Zum anderen spiele es für den Zweck eines Sozialplans – nämlich die Nachteile für Arbeitnehmer bei Personalabbau zumindest abzumildern – keine Rolle, ob dieser durch eine Einigungsstelle oder mittels Einigung des Betriebsrats mit der Arbeitgeberin entstanden ist.

Andernfalls müsse sich die Arbeitgeberin aufgrund des beschlossenen Sozialplans überlegen, einen Insolvenzantrag nach § 18 InsO zu stellen, da ihr eine Zahlungsunfähigkeit drohen würde. Es sei zudem ziemlich fragwürdig, ob die nachfolgenden Liquiditätszusagen ein durch den Sozialplan begründeten Mehrbedarf an finanziellen Mitteln ausdrücklich ausschließen dürften. Zum Vermögen eines maßgeblich von außen finanzierten Unternehmens, das aufrechterhalten werden soll, gehört auch die vom Gesetz vorgeschriebene Verpflichtung, die sozialen Belange von betroffenen Arbeitnehmern zu berücksichtigen sowie deren wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen oder zumindest abzumildern. Es könne nicht gerechtfertigt werden, dass gegenüber den Kunden sowie Lieferanten ausreichend Liquidität bestehe, sich aber gegenüber den Arbeitnehmern bei einer Betriebsänderung durch Personalabbau darauf berufen würde, es sei wirtschaftlich unvertretbar, finanzielle Ausgleichsleistungen zu erbringen. Hinzu käme, dass die Liquiditätszusagen aus dem Jahr 2018 lediglich Sozialplanansprüche ausschlössen, es der Arbeitgeberin jedoch möglich wäre, die Mittel für Abfindungen an die von der Betriebsschließung betroffenen Arbeitnehmer zu zahlen. Letztendlich sei die wirtschaftliche Vertretbarkeit lediglich davon abhängig gemacht worden, ob die sozialen Belange betroffener Arbeitnehmer auf kollektiver oder individualrechtlicher Grundlage entsprochen wurde. Dies sei jedoch nicht mit dem gesetzlichen Schutzzweck des § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG und § 112 Abs. 5 S. 1 BetrVG zu vereinbaren.

Fazit

Zum einen suggerieren mehrmals hintereinander vereinbarte sowie geleistete Liquiditätszusagen von Konzernpartnern, dass der Fortbestand eines Unternehmens in jedem Fall gesichert sei und dieser sich auch bei einem Vermögen, das nur knapp den für einen Sozialplan erforderlichen Betrag übersteigt, nicht auf eine wirtschaftliche Unvereinbarkeit berufen darf. Zum anderen sei es laut LAG gar rechtswidrig, die dem Sozialplan zugrundeliegende gesetzliche Verpflichtung zur kollektiven Ausgleichszahlung in einer Liquiditätszusage auszuschließen. Vor allem dann nicht, wenn aus den zugesagten Mitteln individuelle Abfindungen finanziert wurden.

Und zu guter Schluss ...

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