Verschärfung der Haftung in der Lieferkette

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Verschärfung der Haftung in der Lieferkette

Ab dem 01.01.2018 tritt eine Neuregelung des § 439 BGB in Kraft. Die Thematik ist eine altbekannte und hoch umstrittene: Der Schadensersatz für Ein- und Ausbaukosten, welche als Nebenkosten bei der Mängelbeseitigung entstehen.
Während der BGH jahrelang hier eine strenge Linie vertrat, kippte dann der EuGH mit Urteil vom 16.06.2011 die Rechtsprechung des BGH jedenfalls im Bereich des Verbraucherrechts. Seitdem wurden dem Verbraucher solche Ein- und Ausbaukosten verschuldensunabhängig durch den Verkäufer erstattet. Problematisch wurde es sodann in der folgenden Lieferkette, da der Verkäufer nur in seltenen Fällen auch gleichzeitig der Hersteller ist.
In diesem Verhältnis blieb der BGH bei seiner strengen Linie und sah Ein- und Ausbaukosten als Regress nur dann als weiterreichbar an den Lieferanten der Ware an, wenn dieser den Mangel zu verschulden hatte. Hierdurch konnte die Situation entstehen, dass der Verkäufer zwar dem Verbraucher die Ein- und Ausbaukosten ersetzen musste, er aber keinen Regress bei seinem eigenen Lieferanten nehmen konnte.
Diese rechtsdogmatisch unbefriedigende Situation hat nunmehr der Gesetzgeber durch den neuen § 439 Abs. 3 gelöst, der nunmehr heißt:

„Hat der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht, ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen.“

Hinzu tritt der neue § 445a Abs. 3 BGB, der einen eigenständigen Anspruch des Verkäufers gegen den Lieferanten normiert.

„Die Absätze 1 und 2 finden auf die Ansprüche des Lieferanten und der übrigen Käufer in der Lieferkette gegen die jeweiligen Verkäufer entsprechende Anwendung, wenn die Schuldner Unternehmer sind.“

Was für den Verkäufer begrüßenswert ist, birgt weitere zum Teil enorme Haftungsrisiken für den Lieferanten. Der Begriff der „Ein- und Ausbaukosten“ umfasste bislang nach der Rechtsprechung des BGH nicht nur diese direkten Kosten, sondern z.B. auch Transportkosten (Abtransport der mangelhaften Ware/Lieferung der mangelfreien Ware bzw. Ersatzteile) und vor allem auch die Entsorgungskosten (vgl. BGH in NJW 2012, 1073 ff.). Dieses kann durchaus einen erheblichen Kostenfaktor ausmachen, wie z.B. im klassischen Fliesenfall, in dem sämtliche mangelhaften Fliesen herausgeschlagen, abtransportiert und anschließend entsorgt wurden, damit schließlich neue Fliesen verlegt werden konnten.

Auch der Verkäufer muss trotz der neuen Rechtslage aufpassen. Gemäß § 445a Abs. 4 BGB n.F. bleibt die Mängelrüge nach § 377 HGB unberührt! Der Verkäufer ist also nicht entlastet, die Ware bei Lieferung zu prüfen und entdeckte Mängel unverzüglich anzuzeigen. Eine weitere Falle für den Verkäufer könnte das Verjährungsrecht sein. Die Regelverjährung für den Anspruch nach § 445 a BGB wird gemäß § 445 b BGB in der neuen Fassung bei zwei Jahren liegen, nicht selten jedoch haben die Kunden jedenfalls im Rahmen bauvertraglicher Leistungen zu ihren Vorteil eine Verjährung von fünf Jahren zu beachten, so dass durchaus Fallkonstellationen denkbar sind, in welcher der Verkiäufer den Schaden letztlich doch nicht an die Lieferkette weiterreichen kann.

Altbekannt ist eigentlich, dass § 439 BGB nicht abdingbar ist. Dieses gilt nunmehr auch für die neuen Regelungen zwischen den Unternehmern in der Lieferkette. Es sollte daher schwierig sein durch geschickte AGB-Gestaltung den Regressanspruch innerhalb der Lieferkette auszuschließen oder zu begrenzen. Nachdem § 478 Abs. 4 BGB im Wesentlichen als neuer § 478 Abs. 2 BGB unverändert bleibt, sollten jedoch jedenfalls im Verbrauchsgüterkauf angemessene Pauschalvereinbarungen in Verträgen weiterhin möglich sein, um den Schadensersatzanspruch innerhalb der Lieferkette zu begrenzen. Wann eine Pauschalvereinbarung angemessen ist, hängt stark vom Einzelfall ab. Generell mag hier der Neuwert der Ware im mangelfreien Zustand eine Richtschnur sein, jedoch darf hierdurch das Recht des Verkäufers auf Regress nicht ausgehöhlt werden, so dass im Einzelfall auch höhere Richtwerte angemessen sein können.

Eine weitere Begrenzung sieht das Gesetz selbst vor, da die nur jeweils „erforderlichen Aufwendungen“ nach § 439 Abs. 3 BGB ersetzbar sind. Hierbei handelt es sich jedoch um einen unbestimmten Rechtsbegriff, den die Rechtsprechung erst einmal in den nächsten Jahren konkretisieren muss und selbst dann besteht im Rechtsstreit, da es sich letztlich um Einzelfallentscheidungen handeln wird, ein Restrisiko, dass man nicht mit den gesamten Anspruch durchdringen kann oder entsprechend bei der Abwehr von Ansprüchen ganz oder teilweise unterliegt.

 

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