Kumulative und jahresbezogene Abstaffelung im Arbeitnehmererfindungsrecht

27. August 2024
LLP Law | Patent

Bild von krystianwin auf Pixabay

Entwickelt ein Mitarbeiter im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses eine neue Erfindung, stellt sich regelmäßig die Frage, wie er dafür vergütet wird. In der Praxis löst man diese Problematik nicht selten über die sogenannte Lizenzanalogie. Dieser Methode liegt allerdings eine komplizierte Formel zugrunde, die sowohl die Interessen des Arbeitnehmers als auch des Arbeitgebers berücksichtigen will. Vor allem die Berechnung der Abstaffelung des erfindungsgemäßen Umsatzes zugunsten des Arbeitgebers bereitet Kopfzerbrechen. Der folgende Artikel bietet daher einen Überblick über die Berechnung dieser Abstaffelung im Arbeitnehmererfindungsrecht und erklärt den Unterschied zwischen der sogenannten kumulativen Abstaffelung und der jahresbezogenen Abstaffelung. Gleichzeitig ordnen wir diese abstrakten Begriffe in den Kontext des Arbeitnehmererfindungsrechts ein, um Ihnen diese komplexe Materie verständlicher zu machen.

Berechnung der Vergütung des Arbeitnehmers durch die Lizenzanalogie

Gemäß der Richtlinie Nr. 39 (Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst vom 20.07.1959) findet die Bestimmung der Arbeitnehmererfindervergütung meist nach der sogenannten Lizenzanalogie statt. Diese funktioniert wie folgt: Wenn keine direkte Vereinbarung über die Höhe der Vergütung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vorliegt, wird geschätzt, wie viel ein unabhängiger Dritter als Lizenzgebühr für die Nutzung der Erfindung zahlen würde. Dabei wird angenommen, dass der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer einen fiktiven Lizenzvertrag unter marktüblichen Bedingungen abgeschlossen hätten. Dieser fiktive Lizenzsatz dient dann als Grundlage für die Vergütung des Arbeitnehmers.

Bei der Berechnung der Lizenzanalogie kommt folgende Formel zur Anwendung:

V = E(U x L) x M x A x R

Vor allem der Erfindungswert (E), der sich aus dem erfindungsgemäßen Umsatz (U) und einem branchenspezifischen Lizenzsatz (L) zusammensetzt, ist häufig Mittelpunkt gerichtlicher Auseinandersetzungen. Für die kumulative oder jahresbezogene Abstaffelung ist zunächst der erfindungsgemäße Umsatz relevant: U bezeichnet dabei den Teil des Unternehmensumsatzes, der direkt auf die Nutzung der vom Arbeitnehmer gemachten Erfindung zurückzuführen ist. Ermittelt wird er in der Regel durch ein Auskunftsbegehren des Erfinders. Dieses Begehren kann bereits im Schiedsverfahren geltend gemacht werden. Spätestens aber bei einer Stufenklage vor dem Landgericht, nimmt es eine zentrale Stellung im Prozess ein.

Abstaffelung des erfindungsgemäßen Umsatzes

Wurde der erfindungsrelevante Umsatz ermittelt, kann seitens des Arbeitgebers häufig die sogenannte „Abstaffelung“ geltend gemacht werden. Dahinter steckt folgende Überlegung: Ist der Umsatz des Unternehmens wirklich nur auf die konkrete Erfindung zurückzuführen? Oder sind für den hohen Umsatz auch andere Faktoren von Seiten des Unternehmens entscheidend? Die Abstaffelung soll also verhindern, dass der Arbeitgeber dem Erfinder eine unangemessen hohe Erfindungsvergütung zahlen muss. Dies ist der Fall, wenn der finanzielle Erfolg nicht primär durch die Erfindung generiert wurde, sondern durch Faktoren aus dem Einflussbereich des Arbeitgebers. Entscheidend wird dies allerdings erst ab einer gewissen Umsatzhöhe. Dazu später mehr. Zunächst beschäftigen wir uns mit den Voraussetzungen, die vorliegen müssen, damit der Arbeitgeber eine entsprechende Abstaffelung im Arbeitnehmererfindungsrecht vornehmen darf.

Voraussetzungen der Abstaffelung im Arbeitnehmererfindungsrecht

Da die Abstaffelung die Vergütung oft erheblich vermindert, kann der Arbeitgeber sie nicht ohne Weiteres geltend machen. Zunächst ist also genau zu prüfen, ob im jeweiligen Fall überhaupt eine Abstaffelung in Betracht kommt. Der BGH verlangt hierfür den Nachweis einer entsprechenden Vereinbarung. Grundsätzlich kommt auch der Nachweis einer Branchenüblichkeit in Betracht, der jedoch in den allermeisten Fällen misslingt. Eine Ausnahme ist hier regelmäßig der Chemie-Sektor.

Auch hat der Arbeitgeber nachzuweisen, dass die Höhe des Umsatzes durch erfindungsfremde Komponenten maßgeblich beeinflusst wird. Beispiele hierfür sind umfangreiche Marketingmaßnahmen, der guter Ruf des Unternehmens oder ein besonders effizienter Vertrieb. Kann der Arbeitgeber dies nicht nachweisen, kommt eine Abstaffelung unabhängig von der Umsatzhöhe gar nicht erst in Betracht.

Berechnung der kumulativen Abstaffelung

Kann der Arbeitgeber die Voraussetzungen nachweisen, richtet sich das weitere Vorgehen meist nach Richtline Nr. 11 (Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst vom 20.07.1959).

In der Regel wendet man die Methode der sogenannten kumulativen Abstaffelung an. Grundsätzlich können Arbeitgeber und Arbeitnehmer aber auch eine andere Berechnungsmethode vereinbaren. Hierbei ist aber zu beachten, dass die Art und Weise der Berechnung erhebliche Unterschiede bedeuten kann: Bei einer sogenannten jahresbezogenen Abstaffelung ist der vergütungsrelevante Umsatz meist um ein Vielfaches höher als bei der kumulativen Berechnungsmethode.

LLP Law | Patent

Bild von Willfried Wende auf Pixabay

Die Berechnung nach der kumulativen Abstaffelung ist nicht ganz einfach. Die mit der Richtlinie Nr. 11 wohl konformste Methode sieht folgendermaßen aus: Bis zu einem Umsatz von 3 Mio. EUR findet keine Abstaffelung statt. Der Umsatz wird zu 100% berücksichtigt. Übersteigt nun der Umsatz diese Grenze, wird der Teil des Umsatzes, der über 3 Mio. EUR liegt, mit einem entsprechenden Faktor multipliziert. Die Höhe dieses Faktors ergibt sich dabei aus Richtlinie Nr. 11. Da diese Richtlinie aus dem vergangenen Jahrhundert noch mit DM-rechnet, hat die Schiedsstelle des Deutschen Marken und Patentamtes (DPMA) zwischenzeitig eine Anpassung der Abstaffelung an die Euro-Werte vorgenommen (Arb.Erf. 64/20). Beträgt der erfindungsrelevante Umsatz beispielsweise 5 Mio. EUR, kommt ein Faktor von 0,9 zu tragen.

Da der Umsatz in diesem Beispiel die Grenze von 3 Mio. EUR um 2 Mio. EUR übersteigt, wird dieser übersteigende Betrag mit 0,9 multipliziert. Der (bereinigte) Überschuss liegt nun bei 1,8 Mio. EUR. Diese Bereinigung wird anschließend zu den zu 100% angesetzten 3 Mio. EUR hinzuaddiert. Bei einem Umsatz von 5 Mio. EUR beträgt der abgestaffelte Umsatz folglich 4,8 Mio. EUR. Zur Verdeutlichung:

Abgestaffelter Umsatz = 3 Mio. EUR + (2 Mio. EUR x 0,9)
= 4,8 Mio. EUR

Mit höherem Umsatz erhöht sich stufenweise auch der Multiplikationsfaktor: Hat ein Unternehmen im ersten Jahr einen Umsatz von 10 Millionen EUR mit einer Erfindung erzielt, dann reduziert sich der anzusetzende Umsatz auf 8,8 Mio. EUR. Die Rechnung sieht dabei folgendermaßen aus:

Abgestaffelter Umsatz = 3 Mio. EUR + (2 Mio. EUR x 0,9) + (5 Mio. EUR x 0,8)
= 8,8 Mio. EUR

Das bisher erläuterte bezieht sich auf den Umsatz innerhalb eines Jahres. Doch wie verändert sich der abgestaffelte Umsatz über mehrere Nutzungsjahre hinweg? Wird im Nutzungsjahr 2 wieder ein Umsatz von 10 Mio. EUR gemacht, rechnet man nun zur Abstaffelung die Umsätze von Nutzungsjahr 1 und Nutzungsjahr 2 zusammen. Die Ausgangssumme liegt also bei 20 Millionen EUR. Der reduzierte Umsatz berechnet sich erneut nach der oben erläuterten Rechnung und beträgt in diesem Beispiel 15,8 Mio. EUR. Hiervon zieht man nun den für das Nutzungsjahr 1 ermittelten Umsatz wieder ab (also die 8,8 Mio EUR), sodass für das Nutzungsjahr 2 ein relevanter Umsatz von 7,0 Mio EUR bleibt:

[3 Mio. EUR + (2 Mio. EUR x 0,9) + (5 Mio. EUR x 0,8) + (10 Mio. EUR x 0,7)] – 8,8 Mio. EUR
= 7 Mio. EUR

Im Nutzungsjahr drei werden die real erzielten Umsätze der Nutzungsjahre 1, 2 und 3 addiert, die Abstaffelung ermittelt und die bereinigten Jahre 1 und 2 abgezogen, sodass ein relevanter Umsatz von 6 Mio EUR übrigbleibt. Dieses Schema wiederholt sich mit jedem weiteren Nutzungsjahr.

LLP Law | Patent

Bild von Pexels auf Pixabay

Berechnung der jahresbezogenen Abstaffelung

In eben veranschaulichter Berechnung der kumulativen Abstaffelung wird gewährleistet, dass der Umsatz nicht nur jahresbezogen berücksichtigt wird, sondern der Gesamtraum kumulativ. Bei einer jahresbezogenen Abstaffelung wird dagegen jedes Jahr anhand des im gleichen Jahr erzielten Umsatzes isoliert beurteilt. Dies führt dazu, dass bei einem konstanten Umsatz von 10 Mio EUR pro Jahr stets ein bereinigter Umsatz von 8,8 Mio EUR anzusetzen ist.

Im Laufe der Jahre summiert sich diese Methode daher zulasten des Arbeitgebers. Aus diesem Grund werden jahresbezogene Abstaffelungen im Arbeitnehmererfindungsrecht oft nur dann vereinbart, wenn absehbar ist, dass eine Erfindung nicht auf Dauer, sondern nur für einen begrenzten Zeitraum genutzt wird. Wird die Erfindung wider Erwarten doch unbegrenzt genutzt, kann dies eine Veränderung der Vereinbarung nach § 12 Abs. 6 ArbErfG rechtfertigen (Arb.Erf. 04/19).

Fazit: Abstaffelung im Arbeitnehmererfindungsrecht

Die korrekte Berechnung der Abstaffelung im Arbeitnehmererfindungsrecht ist sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmererfinder von großer Bedeutung. Ebenso ist die Wahl der entsprechenden Methode der Abstaffelung entscheidend für die Höhe der Arbeitnehmererfindungsvergütung. Beachten Sie hierbei, in welchem Zeitraum das Unternehmen die Erfindung gewinnbringend nutzt. Im Zweifel empfiehlt sich für den Arbeitgeber die Wahl der sogenannten kumulativen Abstaffelung.

Für weitergehende Fragen stehen wir Ihnen die Rechtsanwälte von LLP Law|Patent jederzeit zur Verfügung. Kontaktieren Sie gerne unsere Kanzlei in München.

Patricia Lotz | Rechtsanwältin

Frau Rechtsanwältin Patricia Lotz ist schwerpunktmäßig mit Gerichtsverfahren befasst. Seit über vierzehn Jahren vertritt sie vor allem Industriemandate und KMU der IT- und Technologiebranche. Sie ist daneben im privaten Baurecht, im Arbeitsrecht, im Wirtschaftsverwaltungsrecht bei Streitigkeiten u. a. mit Gewerbeämtern und im Sonderfall »Betriebsprüfung und Scheinselbstständigkeit« im Sozialrecht auf Seiten der Unternehmen tätig. Ihr vornehmstes Ziel ist es, eine gerichtliche Auseinandersetzung möglichst zu vermeiden. Ist dies jedoch nicht möglich oder sinnvoll, arbeitet sie mit den Mandanten und Mandantinnen eine passende Prozessstrategie aus, basierend auf einer langjährigen und deutschlandweiten Erfahrung vor Zivil-, Arbeits-, Verwaltungs- und Sozialgerichten. Ferner berät Frau Rechtsanwältin Lotz Sie im Arbeitnehmererfindungsrecht und im Außenwirtschaftsrecht, insbesondere beim Export von Dual-Use-Gütern.

Patricia Lotz - LLP Law|Patent